Jusos Chemnitz

Ein Jahr danach

Mittlerweile sind die rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz, die weltweit für entsetzen sorgten, ein Jahr her. Rückblickend waren diese Tage für uns sehr prägend. Wir haben immer gewusst, dass Rechtsextremismus ein großes Problem in Sachsen und vor allem in Chemnitz ist. Dass die Polizei das staatliche Gewaltmonopol für mehrere Stunden (wenn nicht gar mehrere Tage) nicht mehr unter Kontrolle hatte – und uns, sowie viele andere Demonstrant*innen nicht mehr schützen konnte – haben wir nicht für möglich gehalten. Uns braucht niemand erzählen was Hetzjagden sind oder nicht, Herr Kretschmer [1]. Fakt ist: Nazis haben Geflüchtete, Andersdenkende und alle die nicht in ihre kranke Ideologie passten, verfolgt und angegriffen. Im Zuge von Ermittlungen durften wir uns bei unseren Aussagen Dinge anhören wie: „Da waren doch bestimmt auch die Linken aus Connewitz dabei“ oder „die AfD wird bestimmt noch zur Volkspartei“. Unser Vertrauen in Polizei und Justiz hat mindestens nicht zugenommen nach diesen Tagen.

Nach den Ausschreitungen gab es viele Solidaritätsbekundungen. Der Hashtag #wirsindmehr ist entstanden und über 65.000 Menschen, zum Teil aus der ganzen Bundesrepublik, sind nach Chemnitz gekommen und haben ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und für ein tolerantes Miteinander gesetzt. Wir hatten damals schon das Gefühl, dass man #wirsindmehr in Chemnitz mindestens in Frage stellen muss. Die Menschen, die das hässliche Gesicht von Chemnitz gezeigt haben, waren keineswegs nur rechte Hooligans von außerhalb. Die Mehrheit der Chemnitzer*innen stand auf der Seite von ProChemnitz, AfD und anderen gewaltbereiten Nazis oder blieb schweigend zu Hause und schlossen sich nicht den Gegenprotesten an. Das hat uns gezeigt, dass ein einfaches #fckNazis schon lange nicht mehr ausreicht. Besser trifft es #fckschweigendeMitte. Selbst nach der Gründung und Offenlegung der rechten Terrorgruppe „Revolution Chemnitz“ [2], den Angriffen auf mehrere Restaurants [3] oder rechte Bürgerwehren die Menschen bedrohen [4], blieb der gesellschaftliche Aufschrei in Chemnitz aus. Diese Gleichgültigkeit ist einfach nur zum kotzen! Stattdessen demonstrierten wöchentlich Nazis und es wurde lieber über Begrifflichkeiten wie „Hetzjagd“ diskutiert, während sich Geflüchtete und People of Color in Chemnitz nicht mehr sicher fühlen konnten und wahrscheinlich auch bis jetzt nicht können.[5]

Irgendwie hatte man die Hoffnung, dass solche Ereignisse andere Parteien aufrütteln, sich stärker gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Diese Hoffnung wurde spätestens Ende Oktober, zwei Monate nach den Ausschreitungen, im Chemnitzer Stadtrat von der CDU/FDP-Fraktion enttäuscht. Die Chemnitzer CDU und FDP hielten es für wichtiger einen Antrag zu stellen, um Mittel für das AJZTalschock zu kürzen. Einer der wichtigsten Organisation für soziale Arbeit und antifaschistisches Engagement in Chemnitz.[6] Dieser Beschluss konnte aufgrund einer progressiven Mehrheit im Stadtrat verhindert werden. Nach der Kommunalwahl sitzen aber nun mit AfD (17,9%) und ProChemnitz (7,7%) deutlich mehr Rechtsextreme im Stadtrat als vorher. Und auch jetzt lässt sich schon erahnen, dass die CDU keine Berührungsängste mit den Rechten hat. In der kürzlichen Wahl des Jugendausschusses wurde das bereits deutlich. [7] Deshalb gilt: Wer nicht will, dass die CDU gemeinsame Sache mit der AfD macht, muss am 1. September SPD, Linke oder Grüne wählen! #umkrempeln

Neben all diesen Ereignissen könnten wir noch viel mehr Dinge erwähnen. Wie zum Beispiel den CFC: Der Chemnitzer Fußballclub hat im Frühjahr ebenfalls gezeigt, dass seine Fanszene zu einem nicht unerheblichen Teil aus Rechtsextremen besteht und Funktionär*innen sowie Spieler keine Berührungsängste oder Probleme damit haben. [8] Auch interessant: Die CDU grillt zusammen mit vom Verfassungsschutz beobachteten Nazis und deren Organisation um die Wette. [9] Die Links zu den Themen/Quellen findet ihr in den Kommentaren.

Das alles gehört leider zur Chemnitzer Realität und lässt sich nicht mit dem x-ten Fest oder Stadtmarketing aufpolieren. Niemanden hilft es, dass ständig betont wird: „Chemnitz ist nicht so schlimm, wie es dargestellt wird.“ oder „Die Medien übertreiben alles!!1!!“. People of Color, LGBTIQ*, Linksalternative oder andere Menschen die nicht in das faschistische Weltbild passen werden von Nazis bedroht. Diesen Menschen helfen solche Sätze nicht. Es wird weggeschaut und weggeschwiegen, damit das Stadtimage nicht noch mehr leidet. Was wirklich helfen würde ist Aufklärung, kritischer Umgang mit den eigenen Fehlern und stärkerer Unterstützung von politischer Bildung, einer freien Kulturszene sowie antifaschistischer Projekte. Denn nicht nur der CFC oder die Freie Presse, sondern auch die Stadt hat mit einem der Nazigrößen von Chemnitz und wahrscheinlich auch Europas, Thomas Haller, zusammen gearbeitet und hat von seinen rechtsextremen Sicherheitsleuten das Stadtfest [10] sichern lassen.

Aber neben all den schlechten Dingen aus den letzten Monaten wollen wir den Beitrag positiv beenden. In Chemnitz hat sich auch neues zivilgesellschaftliches Engagement entwickelt. Danke an unsere Freund*innen von Bündnis Chemnitz Nazifrei, Aufstehen gegen Rassismus Chemnitz, den Friedliche Farben, Fridays for Future Chemnitz und an Die Buntmacher/innen. Das sind Menschen, die sich für ein tolerantes und solidarisches Miteinander in der Stadt einsetzen und jede Unterstützung verdient haben! Danke, dass es euch gibt! ❤️❤️❤️

Quellen:
[1] https://www.tagesspiegel.de/politik/sachsens-ministerpraesident-kretschmer-es-gab-keinen-mob-es-gab-keine-hetzjagd-in-chemnitz/22997396.html
[2] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/revolution-chemnitz-113.html
[3] https://www.freiepresse.de/chemnitz/staatsschutz-ermittelt-nach-brand-in-tuerkischem-restaurant-in-chemnitz-artikel10340204?fbclid=IwAR3D010kckkycZJQWU1JrBMZvI-oH2sdvERLTRs3fFo-Tv9bW3iW8EN0Grw
[4] https://www.mdr.de/sachsen/chemnitz/chemnitz-stollberg/ausschreitungen-chemnitz-100.html
[5] https://www.tagesschau.de/inland/maassen-chemnitz-103.html
[6] https://www.tag24.de/nachrichten/chemnitz-ines-saborowski-wegen-antifa-kongress-cdu-fdp-fraktion-droht-dem-ajz-mit-kuerzungen-835642?fbclid=IwAR38Z9Fi2NNfT71NdoO9fwbHuW_8hIMSC_QlWk_bjIStWiuldpWV69nGqC0#article
[7] https://www.freiepresse.de/chemnitz/stadtrat-streit-um-neuen-jugendhilfeausschuss-artikel10594601
[8] https://www.facebook.com/Jusos.Chemnitz/photos/a.380764575296064/2254246561281180/?type=3&__tn__=-R
[9] https://www.facebook.com/Jusos.Chemnitz/posts/2436615309710970?__tn__=-R
[10] https://www.endstation-rechts.de/news/gewalttaetige-uebergriffe-auf-dem-chemnitzer-stadtfest-bringen-security-firma-und-fussball-fanszene-in.html